Das Schreien der Lämmer

Das Schreien der Lämmer

Essensbiographien vor und nach 1989

Premiere: 10. Januar 2012 in der Theaterkapelle Berlin

Wiederaufnahme: 2014

„KEINER ODER ALLE / war das falsche Programm / für alle reicht es nicht“ (H. Müller)

Wie können wir aufhören, auf Kosten anderer Lebewesen zu leben? Wie können wir, angesichts ökologischen Raubbaus, Fleischfabriken, allgegenwärtiger Konkurrenz und Ausbeutung von Lebensformen, damit aufhören, andere auszuschlachten für die eigene Existenz?

Auf die Achse Mensch/Tier projeziert, sind alle Fleischesser Serienkiller. Im Konkurrenzkampf fressen wir uns gegenseitig auf – wir sind Kannibalen, um zu leben. Wie also leben, ohne andere zu essen? Wie können wir lieben, arbeiten, uns verändern, ohne andere damit zu verschlingen?

In der Adaption von Thomas Harris Das Schweigen der Lämmer (1988) und dem gleichnamigen Film (1991) streiten die Serienmörder Hannibal, Buffallo Bill und FBI-Agentin Starling über Praxis und Moral des Tötens und Essens von Tieren, Menschen, und Seelen.

Hannibal: Der Kannibale ist der einzige Fleischesser, der den Kapitalismus ernst nimmt. Die totale Verwertung. Jemand muss sterben, damit wir leben können, Clarice. Tiere, Menschen, Systeme, Staaten.

Starling: Das brauchen sie mir nicht zu sagen, ich bin aus dem Osten.

H: Kapitalismus ist Kannibalismus, Starling.

S: Außer Fressen fällt ihnen nichts ein, Dr. Lector? So sind die Wessis, auffressen, auffressen, sonst spüren sie nichts.

H: Wen essen sie mit ihrer Karriere auf, Agent Starling? Wen lassen sie über die Klinge springen? Ihren Stiefvater, ihre Mutter?

S: Nach der Wende habe ich aufgehört, andere Lebewesen zu essen, Dr. Lector.

H: Jedes Ding ist lebendig, ihr Veganismus ist auch nur eine Ideologie.

S: Wenn man immer nur mit Messern hantiert, sieht irgendwann alles wie Steak aus.

H: In jedem Weizenkorn lebt Gott, lebt eine Psyche, eine Psychose, ein Hass auf das andere Korn.

S: Keine Liebe haben sie, Dr. Lector.

H: Wir alle essen jemanden anderes auf, damit wir Platz haben für uns selbst.

S: Bin ich auch nur Fleisch für sie?

H: Love is consensual cannibalism, Clarice. Ich esse dich auf, du isst mich auf.

Wer frisst wen, wessen Karriere kostet wieviel Leben, wer muss sich wen einverleiben, um weiterzukommen? Wie kann ich lieben, ohne dich zu verzehren? Wie bringt man die Lämmer dazu, mit dem Schreien aufzuhören?

Es geht um Veganismus und Kannibalismus, Fleischfresserei und Biofetischismus, Raubtiermentalität und Mangelwirtschaft. Weltbilder und Essgewohnheiten prallen aufeinander.

Die Adaption baut auf Film und Buch auf, und integriert Interviews mit vegan und omnivorisch lebenden Menschen zu deren „Essensbiographien“: viele Menschen haben innerhalb ihres Lebens mehrere Essenwenden durchgemacht. Jede Biographie ist ein Essenskrimi, jede Mahlzeit politisch, jeder Mord ein Genuss.

  • Regie: Susann Neuenfeldt
  • Text: Simon Strick
  • Bühne: Werner Türk
  • Kostüme: Anja Kronenberg
  • Assistenz: Imke Högden
  • Clarice Starling: Diana Neumann, Melanie Engelhardt (Wiederaufnahme)
  • Hannibal Lector: Dorothea Löbbermann
  • Buffalo Bill: Simon Strick
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