Mein Ekel ist ein Privileg

Mein Ekel ist ein Privileg

- eine Veranstaltungsreihe

„MEIN EKEL IST AKTION“
26.04.2025

Einlass: 19:30 Uhr
Beginn: 20:00 Uhr

Haus 22
Stasi-Zentrale
Campus für Demokratie
Normannenstraße 21a
10365 Berlin

Tickets: https://www.tixforgigs.com/Event/64502E

 

Von 18:30–19:30 Uhr bietet das Stasi-Unterlagen-Archiv im Vorfeld der Performance eine Geländeführung durch die ehemalige Stasi-Zentrale an.

Eine Anmeldung ist unter einblick-ins-geheime@bundesarchiv.de oder 030 18 665-6699 möglich.

 

 

Projektaufriss

In der bürgerlichen Gesellschaft hat Ekel politische Funktion. Man ekelt sich vor Nazis, vor bestimmten „Migrant*innen“, vor undemokratischen Äußerungen, und vor allem anderen, was einem politisch abjekt erscheint. 

Ekel, die physische Reaktion auf das Abartige und Abscheuliche, ist eine Form der gelernten Körperpolitik. Sie macht politische Grenzziehungen zum Reflex: statt Auseinandersetzung und Kritik setzen Übelkeit, Würgen oder Brechreiz ein.

Die DDR und Ostdeutschland sind immer wieder Auslöser von Ekel für die Mehrheitsgesellschaft: so sprachdie Historikerin Hedwig Richter von der „ekligen menschenverachtenden DDR“ (2022), oder der Springerchef Mathias Döpfner drückte seinen „Ekel“ vor den Ostdeutschen aus, die entweder „nur Kommunisten oder Faschisten“ seien (2023).

In der Kunst wurde der Ekel vor Ostdeutschland vielfach durchgearbeitet, prominent in Christoph Schlingensiefs Horror-Satire „Das deutsche Kettensägenmassaker“ (1990), in der VorabendSerie „Motzki“ (1993) oder in den Ekel-Provokationen der umstrittenen Band Rammstein.

 

Ob Affekt, Provokation oder Selbstermächtigung – der Ekel vor dem Osten lässt sich mit Julia Kristevas Überlegungen zum Abjekten in „Powers of Horror“ (1982) erfassen: das widerwärtige Eigene wird abgespaltet und als Anderes körperlich ausgeworfen.

 

So werden die DDR und Ostdeutschland oft als Auswurf der Demokratie identifiziert: als „brauner Osten“, „demokratieunfähiger Osten“, „pathologischer Osten“, „miefiger Osten“, „jammender Osten“, „dunkler Osten“, „putinnaher Osten“  und so weiter.

Wie lässt sich dieser Ekel vor Ostdeutschland thematisieren, wie künstlerisch bearbeiten?

Wir bringen DDR-Aktionskunst dahin zurück, wo sie nie stattfinden konnte mit

„MEIN EKEL IST AKTION“
Unter dem Motto „Mein Ekel ist Aktion“ widmet sich die zweite Veranstaltung der Ekel-Reihe der radikalen Kraft von Ekel in der DDR-Performancekunst der 1980er Jahre.

Im Fokus stehen Künstlerinnen wie Gabriele Stötzer, Else Gabriel, Yana Milev oder Gundula Schulze Eldowy, die mit „ekligen“ Materialien, Körperbildern und abseitigen Themen gegen den normierten sozialistischen Realismus arbeiteten.

In einem begehbaren Performance-Spektakel wird Haus 22 auf dem Gelände der ehem. Stasizentrale – einst Ort der Kontrolle – zur Bühne: Performances, Reenactments und szenische Installationen erschließen auf zwei Etagen historische wie zeitgenössische Perspektiven auf Körper, Norm, Widerstand und Erinnerung.

Ein besonderer Programmpunkt ist die Live-Performance von Gabriele Stötzer und Team, die ein Reenactment einer ihrer Aktionen aus der DDR-Zeit zeigen.

Die Veranstaltung versteht sich als Reclaim eines Angstortes, als empowernde Überschreibung durch Kunst – und als Einladung, Ekel als künstlerisches Ausdrucksmittel und Signatur neu zu denken.

Warum ist die Beschäftigung mit dem „Ekel vor Ostdeutschland“ bedeutsam?

  • weil der „eklige Osten“ seit den 90er Jahren zu einer Diskursform geronnen ist, die einer kulturkritischen und körperlichen Erforschung bedarf.
  • weil dieser Ekel einen Zugang zu verkörperten Privilegien und verinnerlichten Selbstbildern darstellt.
  • weil Körperreflexe tiefer liegen als jeder Diskurs und über Generationen hinweg wirkmächtig sind.
  • weil der politische Horror der 90er Jahre (Treuhand-Trauma, kulturelle Übernahme, Nazi-Pogrome) ein emotionales Gegengewicht in künstlerischen Arbeitsprozessen zu Ostdeutschland braucht: wir dürfen den „Ekel vor dem Osten“ nicht bürgerlichen Reflexen überlassen.

 

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